EU-Projekt SHARE: DAAD-Expertise für Südostasien

DAAD/Thomas Pankau

Marc Wilde und Michael Hörig: engagiert im europäisch-asiatischen Austausch

Die Harmonisierung des südostasiatischen Hochschulraums zu unterstützen, ist das Ziel des Projekts SHARE, das seit 2015 und noch bis Anfang 2019 von der Europäischen Union mit zehn Millionen Euro gefördert wird – eine zweite Projektphase ist denkbar. Die Staaten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) orientieren sich bei SHARE am Vorbild des „Bologna-Prozesses“. Der DAAD bringt seine Expertise im Rahmen eines europäischen Partner-Konsortiums unter Führung des British Council ein und ist besonders aufgrund seiner Kompetenz in den Themenfeldern Qualitätssicherung und Qualifikationsrahmen gefragt − beides zentrale Themen einer hochrangig besetzten Konferenz in Bangkok vom 29. bis 31. Oktober. Ein Interview mit den Experten Michael Hörig, Leiter des Bereichs Strategie und Steuerung im DAAD, und Marc Wilde, Leiter des DAAD-Referats für Hochschulmanagement in der Entwicklungszusammenarbeit.

Was wurde bisher im Rahmen von SHARE erreicht?

Marc Wilde: Der DAAD hat in den vergangenen vier Jahren in der ASEAN-Region gemeinsam mit der European University Association (EUA) und dem Europäischen Netzwerk zur Qualitätssicherung im Hochschulbereich (ENQA) besonders intensiv an zwei Themenfeldern gearbeitet: zum einen an der Implementierung des Qualifikationsrahmens AQRF für die ASEAN-Staaten, der die nationalen Qualifikationsrahmen in der Region verbindet und sektorübergreifend ausgerichtet ist. Zum anderen hat der DAAD die Verankerung des ASEAN Quality Assurance Framework (AQAF) mit zahlreichen Veranstaltungen in der Region unterstützt. Dabei handelt es sich um einen weiteren, im Wesentlichen vom südostasiatischen ASEAN Quality Assurance Network (AQAN) entwickelten Rahmen zur regionalen Qualitätssicherung.

Worum ging es dabei konkret?

Marc Wilde: Erstmals wurden in Südostasien Begutachtungen von Qualitätssicherungsagenturen vorgenommen; es ging sozusagen um die Kontrolle der Qualitätskontrolle. Und natürlich darum, in der ASEAN-Region ein einheitliches Verständnis von Qualitätssicherung im Hochschulbereich zu etablieren. Das betrifft etwa die Art, wie eine Akkreditierungsagentur organsiert sein sollte oder welche Verfahren sie anwendet. Dieses Pilotprojekt konnten wir in vier Ländern durchführen, in denen in der Qualitätssicherung schon solide Strukturen entstanden sind: in Indonesien, Malaysia, Thailand und den Philippinen. Auch haben wir in den vergangenen vier Jahren die Qualitätssicherungssysteme von zehn ausgewählten Hochschulen in der ASEAN-Region anhand von zehn Prinzipien überprüft, die im AQAF definiert sind. Dabei geht es vor allem darum zu prüfen, ob die Hochschulen über geeignete Strukturen und Prozesse verfügen, um die Qualität des Studienangebots zu sichern, zum Beispiel bei der Entwicklung von Curricula oder der Lehrveranstaltungsevaluation.

EU-Projekt SHARE: Doppelinterview Michael Hörig und Marc Wilde

EU SHARE

Wertvolle Teamarbeit in Südostasien: Gruppenbild zum Auftakt der Konferenz "Preparing for the Future: The Role of ASEAN (Higher) Education Frameworks in a Disruptive World" in Bangkok am 29. Oktober 2018

Michael Hörig: SHARE hat einen signifikanten Beitrag zur Wissenserweiterung über Bildungssysteme in Südostasien geleistet. Wir haben verschiedene Studien in Auftrag gegeben: über die Implementierung von nationalen Qualifikationsrahmen in den jeweiligen Ländern, zur Qualitätssicherung mit entsprechenden Fallbeispielen aus der Region und auch zur Strukturierung von Hochschulabschlüssen im ASEAN-Raum. Demnächst erscheint eine Studie, mit der wir über die einzelnen Qualitätssicherungsverfahren und das Verhältnis zum nationalen Qualifikationsrahmen berichten. Studien in dieser Qualität gab es in der Region zuvor nicht. Großes Interesse haben auch unsere Veranstaltungen zu SHARE erfahren, insgesamt konnten wir über 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hiermit erreichen.

SHARE entwickelt also ausreichend Strahlkraft?

Michael Hörig: Ja, und das auch, weil wir in den vergangenen Jahren Multiplikatoren fortgebildet haben, sowohl in der Qualitätssicherung als auch im Bereich Hochschulstrukturreform, etwa mit Blick auf lernzielorientierte Curricula. Grundsätzlich haben wir mit SHARE schon jetzt die Zusammenarbeit zwischen Europa und Südostasien wesentlich gestärkt. Experten auf unseren Veranstaltungen kamen immer gleichermaßen aus beiden Weltregionen. Im Austausch über den gemeinsamen Qualifikationsrahmen der ASEAN-Staaten haben wir zum Beispiel auch Fachleute aus Irland, Hongkong und Neuseeland einbezogen. Das zeigt, dass die Entwicklung in Südostasien weltweit aufmerksam verfolgt wird.

Was Sie sagen, passt zu der zunehmend wichtiger werdenden Rolle des DAAD als Wissensvermittler …

Marc Wilde: Ja, aber es geht nicht nur um Wissensproduktion oder Wissensmanagement. SHARE setzt stark auf der strukturellen Ebene an. Und der DAAD ist in Südostasien sehr gut vernetzt: mit dem ASEAN University Network (AUN), dem bereits erwähnten Netzwerk der Agenturen AQAN oder auch dem SEAMEO Regional Centre for Higher Education and Development der südostasiatischen Bildungsministerien (SEAMEO RIHED), mit dem wir im Rahmen unseres Programms Dialogue on Innovative Higher Education Strategies (DIES) schon lange intensiv zusammenarbeiten. Die zentrale Einbindung der DAAD-Außenstelle Jakarta in SHARE zeigt exemplarisch, dass der DAAD eine weltweit aktive Organisation ist, die vor Ort relevante Diskussionen mit anstößt. Wir tun das bei SHARE dezidiert in einem europäischen Rahmen: Die enge Kooperation mit British Council, Campus France und Nuffic aus den Niederlanden sorgt für eine hohe Sichtbarkeit von SHARE und die Wahrnehmung Europas als wichtiger Partner. Was Europa mit dem Bologna-Prozess für die Harmonisierung des gemeinsamen Hochschulraums erreicht hat, ist sicherlich ein starker Referenzpunkt für unsere Partner in Südostasien.

EU-Projekt SHARE: Doppelinterview Michael Hörig und Marc Wilde

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Geste der Verbundenheit (v. l.): Stefan Bienefeld (Leiter des Bereichs Entwicklungszusammenarbeit und überregionale Programme im DAAD), Phunyanuch Pattanotai (Programmdirektorin bei SEAMEO RIHED), Giuseppe Busini (stellvertretender Leiter der EU-Delegation in Thailand) und der thailändische Vize-Bildungsminister Sophon Nupathorn

Kann auch die europäische Seite von dem Austausch lernen?

Michael Hörig: Absolut. Der partnerschaftliche Austausch auf Augenhöhe ist ja zentral für die Arbeit des DAAD und macht nachhaltige Strukturen und Entwicklungen erst möglich. Das Thema Digitalisierung zeigt besonders deutlich, dass Europa auch viel von den ASEAN-Partnern lernen kann. Bei der digitalen Entwicklung der Gesellschaft und insbesondere der Hochschullandschaft macht etwa ein Staat wie Singapur große Fortschritte und ist auch für uns Europäer zukunftsweisend.

Was sind die konkreten Schritte im Nachgang zu SHARE oder bei einer Fortsetzung des Projekts?

Marc Wilde: Ein wesentliches Ziel ist, dass die im Rahmen von SHARE entwickelten Instrumente von den asiatischen Partnern mittelfristig vollkommen eigenständig genutzt und weitergeführt werden. Darauf würden wir auch in einer möglichen zweiten Projektphase von SHARE besonderen Wert legen.

Michael Hörig: Eine besondere Stärke des DAAD im Rahmen von SHARE ist unsere Glaubwürdigkeit als verlässlicher Partner. Schon vor SHARE haben wir mit den beteiligten Organisationen gut zusammengearbeitet und werden das auch weiterhin tun, unabhängig davon, wie es konkret mit SHARE weitergeht. Die große Konferenz in Bangkok spricht kommende Herausforderungen direkt an: lebenslanges Lernen, Arbeitsmarktbefähigung von Absolventen und Digitalisierung. Alles Themen, die die ASEAN-Staaten, Deutschland und Europa gleichermaßen beschäftigen − heute und ganz sicher auch in den kommenden Jahren.

Interview: Johannes Göbel (29. Oktober 2018)