Postdoc-NeT 2017: Nano-Welten und neue Chancen

FAZIT Communication GmbH/Bettina Mittelstraß

Sehr gern gesehene Gäste: die vom DAAD ausgewählten Teilnehmer der Networking Tour

Exzellente Nanowissenschaftler mit Doktortitel kamen auf Einladung des DAAD aus aller Welt, um sich in Deutschland während der einwöchigen Postdoctoral Researchers Networking Tour (Postdoc-NeT) nach Karrierewegen umzusehen. Die hochqualifizierten Chemiker, Physiker oder Materialwissenschaftler zeigten sich begeistert und knüpften jede Menge fachliche Kontakte.

Es ging ganz konkret zur Sache am Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität (FU) Berlin. Juniorgruppenleiter Dr. Stephan Block hatte 19 Kollegen aus der ganzen Welt seine Forschungsgruppe vorgestellt. Sie arbeitet mit Nanopartikeln, die in den Körper eingeschleust werden, um Verbindungen mit Proteinen einzugehen. Die Winzlinge könnten verhindern, dass Viren an Körperzellen Schaden anrichten. Weltweit wird nach effektiven Medikamenten gegen Virusgrippen geforscht – und im Nanobereich liegen vielversprechende Chancen, die Vermehrungsstrategien der Krankheitserreger zu behindern. Dr. Irfan Ahmed aus Pakistan wollte deshalb direkt Genaueres über das biochemische Andocken der sogenannten Inhibitoren an den Zielzellen wissen, und Dr. Eduardo Martínez aus Argentinien mehr über die Visualisierung. Ein intensives Fachgespräch über Methoden begann.

Bestmögliche Kontaktaufnahme

„Die ausgewählte internationale Gruppe der Nanowissenschaftler weiß genau, was sie will“, sagt Dr. Christian Schäfer, Leiter des Referats Forschung und Studien im DAAD. Nicht weniger als 280 Bewerbungen hatte es für das begehrte Angebot gegeben, mit der Postdoc-NeT die deutsche Forschungslandschaft kennenzulernen. Das fokussierte Programm der DAAD-Studienreise entsprach den Interessen der internationalen Top-Wissenschaftler und stellte für die Teilnehmer durch Stationen in Hamburg, Berlin und Dresden wertvolle Kontakte her: zu den Top-Forschungsinstituten von deutschen Universitäten und Fraunhofer- sowie Max-Planck-Gesellschaft, Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft. Eine hervorragende Gelegenheit auch für die an der Tour beteiligten deutschen Hochschulen und Forschungsinstitute, um exzellente, fachspezifisch ausgewählte Nachwuchswissenschaftler aus der ganzen Welt kennenzulernen.

„Die Gruppe wurde überall sehr interessiert und positiv aufgenommen“, erzählt Christian Schäfer. Ausführlich erklärte an der FU Professor Rainer Haag, Sprecher eines großen Sonderforschungsbereichs (SFB 765: Multivalenz als chemisches Organisations- und Wirkprinzip: Neue Architekturen, Funktionen und Anwendungen), die Fördermöglichkeiten für junge Nanowissenschaftler, benannte für spezifische Interessen konkrete Ansprechpartner und ermutigte zu direkter Kontaktaufnahme.

Beeindruckende Chancen

Die Jordanierin Dr. Suhair Sunoqrot erstaunte die während der Postdoc-NeT vorgestellte internationale Reputation und Vernetzung der deutschen und besonders der Berliner Nanoforschung. Als Pharmaziestudentin war sie in ihrer Heimat nicht mit der deutschen Forschungslandschaft in Kontakt gekommen. „Unsere Dozenten hatten ihre Titel aus den USA oder Großbritannien – die Karriere- und Fördermöglichkeiten in Deutschland waren uns nicht bewusst.“ Auch Suhair Sunoqrot erhielt ihren Doktortitel 2013 von der University of Illinois in Chicago. Seitdem lehrt sie an der Al-Zaytoonah Universität in Jordanien. Die Biopharmazeutin baute konsequent ihr internationales Netzwerk aus und nutzte nun die Chance, die ihr die DAAD-Studienreise bot. Sie will ihre nanomedizinische Forschung mit Blick auf die Entwicklung von Medikamenten unbedingt fortführen und wendet den Blick nach Deutschland: „Das Cluster an der FU passt bestens zu meinen Forschungsinteressen und ist für mich sehr relevant.“

Kooperation, Karriere, Kinderbetreuung

Kein Forschungsgebiet ist so multidisziplinär wie die Nanoforschung. Die Grenzen der Disziplinen werden zum Vorteil der Wissenschaft überschritten, bestätigte den internationalen Gästen Professor Rainer Haag. Die Inderin Dr. Bharati Gupta, die an der Queensland University of Technology im australischen Brisbane über Superkondensatoren forscht, ist Physikerin, Werkstofftechnikerin und hat einen Doktor in Chemie.

Bharati Gupta lernte während der Postdoc-NeT auch deutsche Förderstrategien für Familien kennen. An der Akademie Berlin-Schmöckwitz, wo die Reisegruppe an einem Workshop für rund 60 Nachwuchsforscher in einem weiteren Berliner Sonderforschungsbereich (SFB 951: Anorganisch/organische Hybridsysteme für die Opto-Elektronik) teilnehmen konnte, erfuhr Gupta, welche umfassenden Betreuungsmöglichkeiten es hierzulande für Kinder von Wissenschaftlern gibt. Für die junge Mutter, die auf eigene Kosten von ihrem Ehemann begleitet wurde, um den gemeinsamen kleinen Sohn zu versorgen, ein weiteres Plus für den Karrierestandort Deutschland.

Konkrete Vorteile für jeden

Entgegenkommen hat auch der Iraner Dr. Amin Bahrami während der Postdoc-NeT erfahren. Im Helmholtz-Zentrum Geesthacht bei Hamburg tauschte er Kontaktdaten aus; nun soll ein Weg zur konkreten Zusammenarbeit gefunden werden. „Ich hatte genau nach der technischen Ausstattung gesucht, die sie in Geesthacht haben, und nach jemandem, der sich mit dieser Untersuchungsmethode auskennt“, sagte Bahrami – und freute sich, beides gefunden zu haben. Er forscht in Mexiko-Stadt an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) über Metalle im Nanobereich, insbesondere Titan. Seine Arbeit nutzt der Implantat-Chirurgie.

Viel hat die Gruppe in der Postdoc-NeT-Woche erfahren. Zahlreiche Kontakte wurden geknüpft und auch untereinander war der Austausch über Forschungsbedingungen wertvoll. Über die große Aufmerksamkeit, die der Gruppe in Deutschland zuteil wurde, hat sich jeder gefreut. Mal sehen, wohin die neuen Eindrücke führen werden, meinte der Argentinier Eduardo Martínez: „Wir leben auch als junge Wissenschaftler in instabilen Zeiten – immer auf der Kante zwischen Wissen und Nichtwissen. Aber das macht Wissenschaft aus und hält einen immer wach.“

Bettina Mittelstraß (6. Oktober 2017)